Es war sehr heiß an diesem 9. Juni 2014 in Jezow Sudecki (Polen); über 30 °C und eine stabile Luft, die mehr zum Baden als zum Fliegen geeignet schien. Allerorten Blauthermik (wenn überhaupt), doch über dem Gebirge zeigten sich vereinzelt Wolken. Im Westen Deutschlands Gewittergefahr - im Nachhinein die schlimmsten Unwetter seit Jahren dort.
Der Start erfolgte zu früh; ich hatte nicht auf meinen Coach (Lampe) gehört und mich von einem fremden “Experten” beraten lassen. Daher langer Kampf am Platz, um überhaupt oben zu bleiben. Doch der frühe Startzeitpunkt hatte auch sein Gutes, denn es sollte mein bisher längster Flug auf dem Baby werden.
Schließlich konnte ich in ca. 1600 Meter Höhe über meinem Startpunkt Jezow Sudecki in Richtung Schneekoppe abfliegen. Dort standen, entlang des Gebirges, schöne Wolken. Unter ihnen wollte ich in Richtung Görlitz fliegen. Doch erwiesen sich die Abstände zwischen den Wolken direkt über dem Hauptkamm als zu groß für das Baby mit seinem besten Gleiten von 1:17. Auch gab es dort keine Außenlandemöglichkeit.
Daher nördlicher Kurs entlang der Berge und ohne Wolken. Zweimal hatte ich mir schon ein Außenlandefeld ausgesucht - frisch gemähte Wiesen; der Traktor fuhr noch darauf herum. Aber ich fand einen Aufwind ca. 300 Meter über Grund über einem Steinbruch; Baufahrzeuge wirbelten Staub auf und da ging ich hinein!
Noch einmal fand ich Steigen, das aber nach kurzer Zeit verhauchte. Ich hatte die Wahl zwischen einem grünen Feld oder einer Wiese direkt daneben. Der Hang führte leicht aufwärts, es herrschte Gegenwind, also Anflug über das Dorf und einer Kirche - eine Telefonleitung war auch zu erkennen – und Landung auf der Wiese. Für „Kunststoffflieger“ ein unlandbarer Ort, für das Baby kein Problem.
Die Wiese gehörte einer polnischen Bauernfamilie. Sie saß im Garten und trank Piwo. Leider sprach sie weder deutsch noch englisch. Daher ließ ich sie weitertrinken und ging zum Ortsschild, um Lampe meinen Landeort durchgeben zu können. Die so schön von ihm vorbereiteten Karten hatte ich vergessen - Mist! Am Ortseingangsschild traf ich auf drei weitere Einheimische – alle leicht „angetütert“. Auch sie verstanden mich nicht. Aber sie kannten eine Frau im Dorf, die tatsächlich noch deutsch sprach. Mit ihrer Hilfe konnte ich alles loswerden, was ich wissen wollte. Daraufhin zogen alle mit mir wieder zum Bauernhof; es wurden immer mehr und unglaublich viele Kinder darunter! Die Älteren „brieften“ den Bauern, wer ich sei und was ich wollte. Daraufhin wurde mir auch gleich ein Platz im Schatten und Essen und Trinken angeboten. Brav und dankbar nahm ich es an, außer das Bier. Die Tochter, sehr hübsch, kümmerte sich um mich... Aber irgendwann drückte ich mich mit dem Vorwand hinaus, noch am Flugzeug schrauben zu wollen.
Dort eine unangenehme Überraschung. Über die Wiese kamen plötzlich Kühe gerannt! Oh je, und das Baby stand mitten auf diesem Feld. Aber zum Glück konnte ich sie mit meinem Hut soweit verscheuchen, dass sie in sicherer Entfernung vom Baby stehen blieben und neugierig das weitere Geschehen beäugten.
Kurz darauf traf Rückholer Lampe ein. Wir fuhren direkt auf die sehr naturnahe Wiese, die wohl noch nie eine Walze gesehen hatte. Der kleine Sohn des Bauern half uns, obwohl er uns gar nicht verstand, sehr rührig beim Abbauen. Die Hitze war unerträglich; der Schweiß lief in Strömen und die Stechfliegen hatten mit uns ihre Opfer gefunden - bloß weg hier! Zum Abschluss gaben wir dem Jungen noch Geld für sich und seine Familie; sie hatten es echt verdient. Über Polen und Tschechien fuhren wir nach Rothenburg zum Fliegerlager des FC Strausberg - ein Himmelreich für eine Dusche und Essen. Einen See zum Baden hatten wir auf dem Weg leider nicht gefunden.
Am nächsten Tag wurde der Flug ausgelesen und bewertet: 52 km und knapp vier Stunden Flug waren es geworden. Die 1000 Meter sind auch dabei. Immerhin habe ich damit zwei Bedingungen für die Silber-C erfüllt, die ich eigentlich schon besitze, aber unbedingt als historische Silber-C mit einem historischen Segelflugzeug nachfliegen möchte. Die geforderten fünf Stunden auf dem Baby – die schaffe ich auch noch!
Sven Brandhorst
Nachtrag von Coach Lampe: Bei der Vorbereitung des Loggers fanden sich natürlich keine Polare für das Grunau Baby mit einem Gleiten von 17. Die schlechtesten Polare waren die vom SZD-30 Pirat. Also mein Tipp für Sven: Einfach alle Gleitpfadangaben mit zwei multiplizieren; das käme schon hin. Aber das Wichtigste: Vermutlich hat Sven mit diesem Flug auch den Erwin-Primavesi-Cup 2014 gewonnen. Aber noch steht die Bestätigung durch Jiri Lenik aus. Dennoch Glückwunsch, und es war schön, dabei sein zu dürfen!