Die Glasflügel 401 Kestrel, ein Offene-Klasse-Flugzeug aus den 1970er Jahren aus der BRD, war das Traumflugzeug meiner Jugendjahre und damals, als DDR-Segelflieger, für mich unerreichbar. Am 10. Juni 2014 erfüllte sich der Traum, auch dieses Flugzeug einmal fliegen zu dürfen. Es war mein Segelflugzeug-/Motorsegler-Typ Nummer 95.
Uwe Schlenker, ehemaliger Strausberger Segelflieger und jetzt in Langhennersdorf fliegerisch zu Hause, stellte mir in Rothenburg seine Kestrel zur Verfügung.
Man hatte mich ganz vorn in der Reihe der Starter für die 1000-Meter-Schlepps gestellt und ich jammerte darüber, weil ich nicht als erster starten wollte bei einer Luft wie dicke Suppe ohne Anzeichen von Thermik. Aber das Gejammer half nichts und bei Rückenwind ging es an der Winde auch „nur“ bis auf 830 Meter Höhe. Die Luft war genauso wie vermutet: Weitgehend stabil mit einer Sperrschicht in 500 Meter Höhe; gelegentlich drückte sich eine kleine und völlig zerrupfte, nicht zu zentrierende Thermikblase bis in diese Höhe durch. Inzwischen starteten auch andere Piloten - sogar mit Streckenflugambitionen. Deren Starthöhe betrug gar nur 700 Meter, worauf man den Start umbaute. Oben blieb von den Jungs keiner; sie konnten nicht einmal etwas mit dem anfangen, worin ich kreiste, während mir der Schweiß sogar die Nasenspitze herunter lief... - oh, war das heiß!
Angesagt hatte ich eine Stunde Flug, da ich mit Sven zurück nach Strausberg wollte. Es wurden 1:11 Stunden. Aber eigentlich wollte ich ja gar nicht landen, sondern fliegen, so lange es nur irgendwie ging. Aber dann fiel ich eben doch herunter - schade.
Wie ich später per Telefon von Ingram erfuhr, war es denn auch der längste und darüber hinaus einzige thermische Flug des Tages in Rothenburg. Dankeschön an die Jungs, die mich zwangen, als erster zu starten!
In der Luft erwies sich die Kestrel mit ihren 17 Metern Spannweite nicht so agil wie unsere Glasflügel Mosquito. Insbesondere beim Drehen um die Hochachse muss man ganz gewaltig mit dem Seitenruder nachhelfen. Die Parallelogramm-Steuerung wie bei der Mosquito bewährte sich auch hier und brachte das müde zerrissene Steigen sehr gut über den Steuerknüppel herüber. Das war auch mein Glück, denn die Varios (eine Stauscheibe mit angeblicher TEK, was ich nicht glauben konnte, und ein E-Vario auch mit digitaler Anzeige) zeigten wenig Sinnvolles an. Im Vorflug war das angegebene bessere Gleiten gegenüber der Mosquito durchaus zu spüren.
Im Cockpit geht es für die Beine um einiges enger zu. Die Beine einfach mal aufstellen wie bei der Mosquito, das geht gar nicht und die Rückenlehne ist im Fluge nicht verstellbar. Im Körperbereich kann man aber links und rechts etwas mehr laden an Proviant etc. Auch sind in der Kestrel in paar Hebel mehr - für die Landeklappenstellung 60 Grad der Wölbklappe und für das Ausfahren sowie Abwerfen des Bremsschirmes. Diese zusätzlichen Landehilfen benötigt man aber nicht bei Landungen auf einem Flugplatz. Unterm Strich: Es war ein wunderbares Erlebnis, aber auch eine Kestrel muss man sich richtig erfliegen und mit ihr trainieren, um das Maximale aus dem Flugzeug herausholen zu können.
Bei den Weltmeisterschaften 1974 in Waikerie (Australien) flog übrigens Adele Orsi aus Italien, die einzige Frau im Wettbewerb, eine Kestrel. An einem der Trainingstage landete sie mit eingefahrenem Fahrwerk und der ebenfalls teilnehmende Klaus Holighaus, Konstrukteur der Schempp-Hirth-Flugzeuge, tönte: “Typisch Frau, typisch Frau...“ Am Folgetag landete er seinen Nimbus ebenfalls mit eingefahrenem Fahrwerk. Frauke Elber, Chefredakteurin von Hangar Soaring (USA) und Zeugin des Vorfalls, konnte sich ein (durchaus berechtigtes) Grinsen nicht verkneifen...
Nächstes Jahr werde ich zu Pfingsten mit der Mosquito nach Rothenburg fahren und gemeinsam mit Uwe - er auf seiner Kestrel - über Land gehen. Freue mich schon jetzt darauf, dieses wunderschöne Flugzeug neben mir in der Luft erleben zu dürfen.
Der Tag in Rothenburg war eigentlich nur der Abgesang eines sehr schönen Wochenendes. Ich hatte Sven mit seinem Baby als Coach zum Grunau-Baby-Treffen nach Grunau (Jezow Sudecki) in der Nähe von Jelenia Gora begleitet, denn sein eigentlicher Helfer Alex Görnitz war aus privaten Gründen ausgefallen. Geplant war ein Baby-"Weitwurf" mit Start in Grunau - dort, wo 1944 Svens Baby gebaut worden ist. (Text und Bilder: Lampe)